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AUFGETISCHT - 90 JAHRE GEDOK | ||
Rauminstallation im Landeshaus Kiel, 1. Etage, 7. - 27.07.2016 | ||
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Aufgetischt
– 90 Jahre GEDOK | Donnerstag, d. 7. Juli 2016
im Landeshaus Kiel
Rede
zur Eröffnung von Dr. Bärbel Manitz, Kiel (Auszug) | gesamte Rede als pdf
>>>(...) Strenge
Auflagen waren für die bildenden Künstlerinnen der hiesigen
Landesgruppe der
GEDOK zu erfüllen: kreisrund mit einem Durchmesser von 40 cm unter dem
Motto
„aufgetischt“. Allein schon das nehmen
wir als unterschwellige, wortspielerische Provokation,
ebenso die Kreisform, die
Rotunde, die in der Kunst als traditionelles ikonographisches Symbol
für
Weibliches ihre Geschichte hat. Wir hüten uns aber, hier salopp von
»Torte« zu
sprechen, erinnert uns das doch an die temporäre umgangssprachliche
Entgleisung
bei Machos, mit dieser Vokabel eine Frau zu bezeichnen und zugleich
»platt« zu machen. An der Exposition mit
der hermetischen Kreisform beteiligen sich hier gut 30 Künstlerinnen
des
Visuellen und acht des Wortes. Die Autorinnen Therese Chromik, Brigitte
Halenta, Marion Hinz, Charlotte Kerner, Regine Mönkemeier, HannaH Rau
und
Kirstin Warschau haben teils eigene Lyrik und Statements zwischen die
»runden
Sachen« gelegt, teils markante Zitate von Ida Dehmel oder anderen
berühmten
Frauen der Zeit ausgewählt. Lesenswert! Welche speziellen Aspekte der
visuellen
Werke hier in die historischen Zeitläufte
Idas einhaken, das sehen wir jetzt. Dabei eröffnen allein schon die
vielfältigen
Techniken – vom Holzschnitt über Collage und Assemblage bis zum Objekt
nah am
ready-made – einen eigenen Kosmos der modernen künstlerischen Medien,
die
damals en vogue waren. Selbstverständlich stehen dabei die kulturellen
Zeiterscheinungen thematisch im Zentrum der »Präsentierteller«,
reflektiert aus
dem Blickwinkel von heute. Puristisch zeigt sich hier im Landeshaus die
Auswahl
der Werke, etwas anders als in Lübeck. Einen
Tribut an das modische Frauenbild der
20er Jahre leisten Acrylmalereien von Maren
Allermann mit dem Titel „woman oft he twenties“, an das
selbstbewusste
Styling mit der Fliegerkappe die Foto-Collage „Fenster
in die Vergangenheit“ von Barbara
Brandhorst. Frauen als Pilotinnen, damals mutige Pionierinnen der
Luftfahrt, schaffen sich neuen Freiraum in einem männlich konnotierten
Umfeld
von Abenteuer und Entdeckung und wechseln die Perspektive.
Barbara
Engel zeigt mit dem altmeisterlich gemalten, latent Eros haltigem
Ölbild
„Abgelegt“ lässig und dekorativ abgestreifte Kleider und Schuhe. Wir
deuten das
als Zeichen für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, wann die Hüllen
fallen.
Mit ihrer surrealistischen »Antäuschung« von Picasso hingegen spielt Annelies
Hölscher in ihrer Collage auf
Styropor, betitelt „Der Rabe“, auf die
Dekonstruktion des weiblichen
Schönheitsideals an. Karin Mohrdiecks Beitrag
„Ja“ zeigt mit einem lachenden
Altersportrait die natürliche Vergänglichkeit weiblicher Schönheit.
Befreites
weibliches Lachen, symptomatisch für das neue Frauenbild, zeigt auch die grüne Biofrau „Blätterlachen“ von
Eva Maria Mehrgardt, eine
Fotocollage auf Aludibond. Sinnbildlich für die »Roaring Twenties«, für
das
Lebensgefühl der »Demi-Monde« steht Christine
Regensburgers Arbeit „Glanz/Dekadenz“ – gestaltet in der Sprache
der
abstrakten Kunst, mit „Talmi“
assoziierenden Materialien wie buntes Acryl-Glas und glänzendes
Katzengold. Das
Problem von Sein und Schein. Das Spiel mit den Geschlechtsrollen –
feminin,
maskulin oder androgyn – thematisiert Marion
Inge Otto-Quoos (mioq) mit ihrem fotografischen Beitrag „Monokel“.
Ein
maskulines, damals modisches Attribut, das auch vom Frauentyp der
Garçonne
getragen wurde, das sich hier aber irritierend als flammend
rotumrandeter
Bauchnabel zum offensiven weiblichen Sexsymbol verwandelt. Ein Problem
von
Transgender. Der Akt und der Gewaltakt – wie nah diese zusammenliegen
ist ja
bekannt. Mit der Arbeit „Loswerden“, eine plastische Modellierung des
Venushügels aus Pappmaché, mit tagebuchartiger Inskription,
transferiert Evelyn Steinmetz das zu allen Zeiten
vorhandene Thema der Vergewaltigung und des Missbrauchs auch in die
Gegenwart.
Nur nicht einsam und allein damit bleiben, das Geschehene nicht
schamhaft
verschweigen, sondern die Scham aufdecken: Das ist die Botschaft der
Künstlerin. „Farbe
bekommen“, der gemalte Gruppenausflug von Astrid
Claus, rührt wohl an die Wandervogelbewegung, Teil der großen
Lebensreformbewegung des Jugendstils, an den Aufbruch in die freie
Natur, in
das Sonnenlicht, und damit zu Natürlichkeit, Wahrheit und Einfachheit
des
Lebens. Eine essentielle Strömung zu Idas Jugendzeit. Man mag
vielleicht an
Korsettstangen denken, damals endlich als schädlich für die
Frauengesundheit
enttarnt und verpönt, wenn man auf die „Möhrenklaviatur“ von Hildegard Grenzemann-Spiller schaut.
Aber die Collage aus echten Möhrenschalen kündet wohl primär von der
Klaviatur
des guten Tons. Der »Eat-Art« der 1960er
Jahre entsprungen, tippen diese twiggyartigen Möhrenschalen sicherlich
auch an
damals wie heute akute Fragen der Ernährung und den Schlankheitswahn in
Mode,
Werbung und Konsum, der das modelmäßige weibliche Schönheitsideal
propagiert.
Idas Weg führte selbstverständlich vom Jugendstil-Korsett zum
befreienden
Reformkleid, das Richard Dehmel für sie entwarf. In diese Sphäre des
Benimms
würden wir auch den „Anstandshappen“ der
Erbse von Birgit Bornemann
einschweben lassen, einen zarten Lavendelumdruck. Die
an DADA angelehnte Collage „Ida 1“ von Bruni Jürss
entwirft ein szenisches
Panorama der 20er Jahre, ausschnitthaft, atmosphärisch, mit Ida im
Zentrum. Direkt
Idas Leben und Leistung umkreisen hier verschiedene Arbeiten. Titia Ohlhaver betreibt überzeugend Ida
Dehmels Ikonisierung, wenn sie das in Acryl gemalte jugendlich-schöne
Antlitz
Idas als Promi-Siebdruck-Ikone auftreten lässt - wie einen von Andy
Warhols
weiblichen Superstars. Die Hommage an
Ida ist Svenja Wetzenstein gelungen
mit der Erinnerung an das schöne, in
türkis- blauen Tönen gehaltene Portraits der Ida Dehmel in ganzer
Figur, in Öl
gemalt 1903 von der erst jüngst wiederentdeckten jüdischen Malerin
Julie
Wolfthorn. Idas Portrait ist heute in der Hamburger Staats- und
Universitätsbibliothek zu sehen. Hommage an Ida – unter diesem
Stichwort sehen
wir ebenso Karin Hilbers markanten
schwarz-weiß Holzschnitt „Aufbruch in
andere Zeiten V“, der ihre Visionen und Träume auf einer Himmelsleiter
ins
Universum aufsteigend thematisiert. Ähnlichen Gedanken, aber ungleich
plakativer, hängt Christin Karbaum
in ihren farbigen, rot-weiß-schwarzen Holzschnitten nach: „Früchte
einer Idee“,
die jetzt schon 90 Jahre währt, wie wir hier spontan ergänzen. Besonders
hervorzuheben ist der Aspekt „Ida als Muse“, dem Claudia
Bormanns Aquarell gewidmet ist – mit dem Motiv des antiken
Mythos von Apoll mit seinen Musen auf dem Parnass.
Selbstverständlich ist das Schöpferische als
solches, das Leben als Künstlerin das zentrale Thema in der
Jubiläums-Ausstellung, aber ebenso die Unterstützung und Förderung
weiblicher
Kreativexistenzen als Kernaufgabe und Sinnstiftung der GEDOK. Als
Künstlerin
selbst zu unprofessionell, aber als dilettierende Kunsthandwerkerin in
der
Perlenstickerei sogar auf Ausstellungen erfolgreich, prägte Ida
indessen auf
ihr Lebenswerk GEDOK den wie ein
Understatement klingenden Spruch: „…
selbst ein armes Huhn wie ich sollte die Gemeinschaft erfahren dürfen“.
Mit
Blick auf sich selbst sprach sie sich ausdrücklich auch für die
Aufnahme von
Autodidaktinnen und kunsthandwerklich tätigen Frauen aus, die von der
großen
Gemeinschaft profitieren sollten. Die Selbstironie des „armen Huhns“
setzt Monika-Maria Dotzer mit ihrer
Hühner-Plastik »drahtig« um.
„BROTLOS“
kommentiert Gesche Stiebelings
ironische Installation eines leeren Brotkorbs mit jener Inschrift die
problematische wirtschaftliche Situation der Künstlerin. „No ending
motherhood“
befürchtet Eva
Stueben in ihrem
gemalten raffaelitischen Madonnenbild, wobei man diesen Seufzer des
Zwiespalts
sowohl auf die Rolle als Mutter als auch auf diejenige der Künstlerin
beziehen
kann, die von Verlustangst befallen wird. Die sehr witzig verpackte
Botschaft
mit dem „Kochpinsel“ von Rufina Schröter
übersetzen wir mit: »Zwei
Instrumente, ach, schlagen in meiner Hand!« Die Assemblage „o. T.“ von Claudia Wilm, eine figürliche
Abbreviatur ohne Gesicht auf weiblichen 20er Jahre-Look mit dem
typischen,
federgeschmückten Stirnband, spielt mit dem typisierten Bild der Frau.
Eine
Arbeit gegen Stereotype. Katharina Reinshagen
warnt, auf ähnlicher Wellenlänge, in ihren Mischtechniken vor
„Schwarz-Weiß“-Denken. Ob wir in Inken
N. Woldsens „Keksteller“, die eher Oblaten gleichen, vielleicht
doch den
Opfergedanken verbildlicht sehen? Ein Leben, geopfert auf dem Altar der
Kunst? An
Idas jüdische Wurzeln erinnert Renate
Basten mit hebräischen
Schriftzeichen in „Meine Wurzeln“. An das
Schicksal
jüdischer Frauen in der NS-Zeit, an Verfolgung und Tod prinzipiell,
gemahnt die
Siebdruck-Arbeit „Selma“ von Antonia Lindenberg.
Das Datum 1942 sagt
alles. „Die Frau hat eine Seele“
konstatiert Ruth Bleakley-Thiessen
in ihrer Installation
und zeigt zugleich, wie verletzlich diese sein kann. Frau und Seele –
das ist
ein »Busenthema« der Emanzipationsgeschichte, ein Aufreger, weil es auf
ein
ganz finsteres Kapitel der Unterdrückung der Frauen anspielt! Das Thema
führt
in uralte Abgründe des männlichen Denkens: Die antiken Kirchenväter
etwa
stellten in ihren Schriften tatsächlich infrage, dass die Frau eine
Seele
habe…… Zu Lebzeiten Idas brandete die sog. „Weiblichkeitsdebatte“,
ausgelöst
von Freuds Psychoanalyse, gegen deren frauenfeindliche Auffassungen
sich frühe
Feministinnen zur Wehr setzten. Das Thema der Seele ist uferlos,
unlösbar. Genau
wie die Quadratur des Kreises nach wie vor ein ungelöstes Problem (der
Geometrie) ist. Deshalb lässt Mareile
Schröder ihren grünen Kreis aus einem
Quadrat abheben, quasi „Von der Fläche in den Raum“, wie sie ihr
fluoreszierendes Plexiglas-Objekt tituliert hat. Sicherlich steckt
Zeitgeistiges der konstruktivistischen 20er Jahre dahinter, Inspiration
durch
das Bauhaus, das mit geordneten, klaren Formen aus der Geometrie nichts
weniger
als eine neue Welt und einen neuen Menschen erschaffen wollte. An
diesem
seinerzeit revolutionären Kulturschock hatten etliche Frauen Anteil als
Bauhaus-Schülerin. Das Eckige und das Runde, das Männliche und das
Weibliche:
zwei konträre Formen, die sich aber durchaus aufeinander beziehen und
dabei
Distanz wahren. Ist das ein elementares Abbild zum Verhältnis der
Geschlechter?
Der hohe Grad der Abstraktion bei dieser sehr ästhetischen Arbeit
animiert
dazu, unsere Gedanken noch weiter abheben zu lassen. Wir fassen sie im
faustischen Zitat zusammen: »Das Ewigweibliche zieht uns hinan.« Und jetzt geht’s ab nach oben zu den
weiblichen »Kunstscheiben«. Ich wünsche Ihnen aufmerksame Betrachtung
und
kontroverse Kommunikation! Danke für Ihre Aufmerksamkeit! |
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